Rechtstipp. Inwieweit darf der Medizinische Dienst (MD) Gesundheitsdaten eines eigenen Mitarbeiters bei Zweifeln an dessen Arbeitsunfähigkeit verarbeiten? Mit dieser Frage hat sich das Bundesarbeitsgericht in seinem Urteil vom 20.06.2024 (8 AZR 253/20) befasst.

Autor: Michael Lennartz

Zu den Aufgaben des MD gehört es, medizinische Begutachtungen zur Beseitigung von Zweifeln an der Arbeitsunfähigkeit eines GKV-Versicherten durchführen. Dies macht der MD auch, wenn es seine eigenen Mitarbeiter betrifft. Hierfür steht eine begrenzte Anzahl von Mitarbeitern einer besonderen Einheit zur Verfügung, die an zwei Standorten eingerichtet wurde. Diese verarbeitet unter Verwendung eines gesperrten Bereichs des IT-Systems die anfallenden (Gesundheits-)Daten betroffener Arbeitnehmer.

Der Kläger war zuletzt unter anderem als Systemadministrator in der IT-Abteilung des MD tätig. Seit November 2017 war er ununterbrochen arbeitsunfähig erkrankt. Er bezog ab Mai 2018 von seiner gesetzlichen Krankenkasse Krankengeld. Diese beauftragte im Juni 2018 den MD mit der Erstellung einer gutachtlichen Stellungnahme zur Beseitigung von Zweifeln an der Arbeitsunfähigkeit des Mitarbeiters. Hieraufhin fertigte eine angestellte Ärztin aus der Organisationseinheit „Spezialfall“ ein Gutachten an. Vorher holte die Ärztin bei dem behandelnden Arzt unter anderem telefonisch Auskünfte über den Gesundheitszustand des Klägers ein.

Forderung: Schadensersatz

Der Kläger machte wegen dieses Vorgehens immateriellen Schadensersatz geltend, da die Verarbeitung seiner Gesundheitsdaten durch den MD unzulässig gewesen sei. Das Gutachten hätte durch einen anderen MD erstellt werden müssen. Die unrechtmäßige Verarbeitung seiner Gesundheitsdaten habe bei ihm bestimmte Sorgen und Befürchtungen ausgelöst. Weiterhin macht er materiellen Schadensersatz in Gestalt eines ihm entstandenen oder künftig entstehenden (Erwerbs-)Schadens mit der Begründung geltend, die Kenntnis von dem Telefonat zwischen der Gutachterin und seinem behandelnden Arzt habe zu einer Verlängerung seiner Arbeitsunfähigkeit geführt.

Die Urteilsbegründung

Die Vorinstanzen wiesen die Klage ab. Auch die Revision des Klägers vor dem BAG hatte keinen Erfolg. Es seien schon nicht die Grundvoraussetzungen eines Schadensersatzanspruchs nach Art. 82 Abs. 1 DSGVO gegeben. Hierzu bedürfe es eines Verstoßes gegen die DSGVO, eines dem Betroffenen entstandenen materiellen und/oder immateriellen Schadens und eines Kausalzusammenhangs zwischen dem Schaden und dem Verstoß. Hier fehle es indes bereits an einem Verstoß gegen die Bestimmungen der DSGVO.

Die Verarbeitung der Gesundheitsdaten des Klägers durch den Beklagten sei insgesamt zulässig gewesen. Die Verarbeitung sei zur Erstellung der von der gesetzlichen Krankenkasse beauftragten gutachtlichen Stellungnahme erforderlich gewesen, um Zweifel an der Arbeitsunfähigkeit zu beseitigen. Dies betreffe auch das Telefonat zwischen der Gutachterin und dem behandelnden Arzt des Klägers.

Die vom MD getroffenen organisatorischen und technischen Maßnahmen entsprächen überdies den Grundsätzen der Integrität und Vertraulichkeit.

 

RA Michael Lennartz

www.lennmed.de

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