Rechtstipp. Darf ein Augenarzt von Kassenpatienten eine „Selbstzahlergebühr“ für eine schnellere Terminvergabe verlangen? Mit dieser interessanten Frage hatte sich das Landgericht Düsseldorf zu befassen und zu entscheiden (Urteil vom 26.06.2024, AZ: 34 O 107/22).
Autor: Michael Lennartz
In dem konkreten Fall bot der als Vertragsarzt niedergelassene Augenarzt über die Plattform Jameda einen Online-Terminservice mit Verlinkung auf seine Website an, wo der Patient auf einem Kalenderfeld einen als verfügbar ausgewiesenen Termin durch Anklicken auswählen konnte. War der Patient gesetzlich versichert und klickte auf einen Termin in den nächsten Tagen, erschien der Hinweis: „Was Sie noch wissen sollten: Selbstzahlergebühr: Wenn Sie gesetzlich versichert sind, müssen Sie die Kosten für die Behandlung selbst übernehmen.“ Dieser Hinweis erschien auch dann, wenn der Patient als Besuchsgrund „akute Beschwerden/Schmerzen“ angab.
In einem Telefonat mit der Praxis wurde der Patient zudem darauf hingewiesen, dass gesetzlich Versicherte für den frühen Termin 150 Euro auf Selbstzahlerbasis zuzahlen müssten, weil die Praxis bis weit in den September ausgebucht sei und frühere Termine für Nottermine reserviert seien.
Anspruch auf Unterlassung
In seiner Entscheidung kommt das LG Düsseldorf zu dem Ergebnis, dass gegenüber dem Augenarzt ein Anspruch auf Unterlassung besteht, Behandlungstermine anzubieten oder anbieten zu lassen, bei denen der gesetzlich Versicherte für einen früheren Termin zur Behandlung die Kosten der Behandlung entgegen dem Sachleistungsprinzip selbst tragen und auch bei akuten Beschwerden und/oder Schmerzen die Kosten für die Behandlung selbst übernehmen muss.
Der Vorschrift des § 32 Abs. 1 Satz 1 der Berufsordnung für die nordrheinischen Ärztinnen und Ärzte komme eine Schutzfunktion zugunsten anderer Marktteilnehmer zu. Gemäß dieser Vorschrift ist es Ärztinnen und Ärzten nicht gestattet, von Patientinnen und Patienten oder Anderen Geschenke oder andere Vorteile für sich oder Dritte zu fordern oder sich oder Dritten versprechen zu lassen oder anzunehmen, wenn hierdurch der Eindruck erweckt wird, dass die Unabhängigkeit der ärztlichen Entscheidung beeinflusst wird.
Gegen diese Vorschrift habe der Augenarzt verstoßen, indem er einem gesetzlich Versicherten einen früheren Termin für den Fall angeboten hat, dass der Patient die Behandlungskosten selbst übernimmt und nicht auf das allgemeine Sachleistungsprinzip besteht, das grundsätzlich gegenüber der Kostenerstattung vorrangig sei.
Zeiten für Privatpatienten reservieren
Soweit der Augenarzt geltend mache, er erfülle seine Pflichten als Vertragsarzt, weil er eine Notfallsprechstunde anbiete und die vorgeschriebene wöchentliche Behandlungszeit für gesetzlich Versicherte einhalte, greift dieser Einwand unter den konkreten Umständen nicht. Dem Augenarzt stehe es frei, darüber hinaus bestimmte Zeiten für Privatpatienten zu reservieren oder die Praxis ganz zu schließen, soweit er das für Vertragsärzte vorgeschriebene Stundenkontingent für gesetzlich Versicherte im Übrigen erfüllt. Das sei vorliegend aber nicht der Fall. Vielmehr bot der Beklagte dem gesetzlich Versicherten eine Behandlung an. Dieser Termin war also nicht für Privatpatienten reserviert, sondern konnte für einen gesetzlich Versicherten reserviert werden.
Der Augenarzt wurde zudem verurteilt, es zu unterlassen, Behandlungstermine anzubieten oder anbieten zu lassen, in dem gesetzlich Versicherte mit akuten Beschwerden und/oder Schmerzen die Kosten für die Behandlung selbst übernehmen müssen.
RA Michael Lennartz
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