Bisweilen versäumen es Vertragsärztinnen und Vertragsärzte, eine Genehmigung zur Beschäftigung von Weiterbildungsassistentinnen und Weiterbildungsassistenten einzuholen. Oder sie beschäftigen diese über das Ende der genehmigten Weiterbildungszeit hinaus. Das kann spürbare finanzielle Folgen nach sich ziehen, wie das Sozialgericht (SG) Marburg mit rechtskräftigem ­Gerichtsbescheid vom 29.09.2022 (Az.: S 17 KA 282/19) entschieden hat.

Ein niedergelassener Facharzt für Urologie beschäftigte bis August 2001 mit Genehmigung eine Weiterbildungsassistentin. Nach dem Ende ihrer Weiterbildung verblieb sie weiterhin in seiner Praxis, ohne dass dies den Zulassungsgremien gemeldet wurde. Auf der Homepage der Praxis wurde sie als Mitglied des Praxisteams mit der Funktion einer Assistenzärztin vorgestellt. In der Zeit von Januar 2013 bis April 2016 unterzeichnete sie Verordnungen im Umfang von netto zirka 450.000 Euro. Auf Antrag der AOK verhängten Prüfungsstelle und Beschwerdeausschuss einen Regress wegen eines sogenannten „sonstigen Schadens“ (§ 48 Abs. 1 BMV-Ä) in dieser Höhe.


ARZTUNTERSCHRIFT KEIN BLOßER FORMALER VORGANG
Das SG Marburg bestätigte die Regressfestsetzung in vollem Umfang. Der Vertragsarzt habe die Pflicht, seine Behandlungs- und Verordnungstätigkeit persönlich auszuüben. Eine Delegation von Leistungen an ärztliches Personal komme nur in Betracht, wenn es sich um angestellte Ärzte oder Assistenten handele, deren Beschäftigung von den Zulassungsgremien genehmigt worden sei. Ansonsten sei nicht gewährleistet, dass der Angestellte oder Assistent die beruflichen und sonstigen Voraussetzungen für eine Tätigkeit in der vertragsärztlichen Versorgung erfülle. Die eigenhändige Arztunterschrift auf einem Rezept sei kein bloßer formaler Vorgang, sondern solle Leben und körperliche Unversehrtheit der Patienten schützen und zu erkennen geben, dass der ausstellende Arzt der Verordnung letztendlich die entscheidende Gültigkeit verleihen wolle. Bestimmungen, die die Vergütung ärztlicher oder sonstiger Leistungen von der Erfüllung bestimmter formaler oder inhaltlicher Voraussetzungen abhängig machten, hätten innerhalb des GKV-Systems die Funktion zu gewährleisten, dass sich die Leistungserbringung nach den für diese Art der Versorgung geltenden gesetzlichen und vertraglichen Bestimmungen vollziehe. Nur die Einhaltung bestimmter wichtiger Formalien – wie die ärztliche Unterschrift unter einer Verordnung – könne garantieren, dass die Patienten Medikamente erhielten, die im Rahmen der ärztlich vorgesehenen Therapie verschrieben worden seien und unter ärztlicher Therapieverantwortung stünden. Es sei auch ein Schaden eingetreten. Das vertragsarztrechtliche Prinzip lasse keinen Raum für die Berücksichtigung hypothetischer alternativer Geschehensabläufe.


FACHARZT EMPFINDET DIE FESTSETZUNG ALS „RUINÖS“
Damit verwarf das SG Marburg die von dem Kläger vorgetragenen Argumente: Der AOK sei kein finanzieller Schaden entstanden, zudem sei die Festsetzung ruinös, denn sie hätte zur Auswirkung, dass er unbegrenzt und unverhältnismäßig die objektiv erforderlichen Kosten für die Versorgung der Versicherten mit den notwendigen Arzneimitteln und medizinischen Leistungen Dritter (also nicht des Arztes selbst) zu tragen hätte. Im Übrigen sei die ehemalige Weiterbildungsassistentin weiterhin von ihm als solche behandelt worden. Nicht sie habe die Patienten behandelt, sondern er selbst. Die Verordnungen, die von ihr unterzeichnet worden seien, dienten lediglich der Umsetzung seiner Weisungen.
Die Entscheidung ist auch auf den zahnärztlichen Bereich (unter anderem bei der Beschäftigung von angestellten Zahnärzten und Vorbereitungsassistenten) übertragbar. Es kann daher nur dringend angeraten werden, ärztliches und zahnärztliches Personal mit den erforderlichen Genehmigungen zu beschäftigen.

 

RA Michael Lennartz

www.lennmed.de

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