Referentenentwurf zur Arbeitszeiterfassung liegt vor

Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales hat kürzlich einen Referentenentwurf zur Novellierung der Arbeitszeiterfassung veröffentlicht. Hintergrund dafür ist eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes, der unter anderem Deutschland zu einer unionsrechtskonformen Neuregelung aufgefordert hatte.

TZ
Das Arbeitszeitgesetz sowie das Jugendarbeitsschutzgesetz sollen nach dem Referentenentwurf angepasst werden. Hierbei soll der Arbeitgeber verpflichtet werden, Beginn, Ende und Dauer der täglichen Arbeitszeit der Arbeitnehmer sowie der beschäftigten Jugendlichen jeweils am Tag der Arbeitsleistung grundsätzlich elektronisch aufzuzeichnen. Eine Ausnahme ist über eine Kleinbetriebsklausel vorgesehen (siehe unten).


Die Aufzeichnung soll der Arbeitgeber mindestens zwei Jahre aufbewahren. Zusätzlich sollen auch Informationspflichten des Arbeitgebers in Bezug auf die Arbeitszeitaufzeichnungen geregelt werden. Auf Verlangen der Arbeitnehmer sowie der beschäftigten Jugendlichen oder ihrer Personensorgeberechtigten habe der Arbeitgeber jeweils über die aufgezeichnete Arbeitszeit zu informieren. Außerdem habe er auf Verlangen eine Kopie der Aufzeichnungen der Arbeitszeit zur Verfügung zu stellen. Klarstellend soll dazu geregelt werden, dass die Aufzeichnung durch die Arbeitnehmer sowie die Jugendlichen selbst oder durch einen Dritten (zum Beispiel einen Vorgesetzten) erfolgen kann. Aber auch in diesem Fall bleibe der Arbeitgeber für die ordnungsgemäße Aufzeichnung verantwortlich.


VERTRAUENSARBEITSZEIT
Die Möglichkeit von Vertrauensarbeitszeit werde durch die Pflicht zur Arbeitszeitaufzeichnung nicht beeinträchtigt. Vertrauensarbeitszeit meint hierbei im Allgemeinen ein flexibles Arbeitszeitmodell, bei dem der Arbeitgeber auf die Festlegung der vertraglich vereinbarten Arbeitszeit (also Beginn und Ende) verzichtet. Die Vorgaben des öffentlich-rechtlichen Arbeitszeitschutzes (insbesondere zur täglichen Höchstarbeitszeit und zu Ruhezeiten) dienen dagegen der Sicherheit und dem Gesundheitsschutz der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Sie sind auch heute bereits bei Vertrauensarbeitszeit einzuhalten. Der Arbeitgeber habe indes auch bei Vertrauensarbeitszeit sicherzustellen, dass ihm Verstöße gegen die Bestimmungen des Arbeitszeitgesetzes zu Dauer und Lage der Arbeits- und Ruhezeiten bekannt werden. Dies könne beispielsweise durch die entsprechende Meldung eines elektronischen Arbeitszeiterfassungssystems erfolgen. Durch die Regelung werde die Aufzeichnung von Beginn, Ende und Dauer der Arbeitszeit nicht entbehrlich, Arbeitgeber erhalten jedoch die notwendige Rechtssicherheit für die Arbeitszeitaufzeichnung, wenn sie bei vereinbarter „Vertrauensarbeitszeit“ auf die Kontrolle der vertraglichen Arbeitszeit verzichten.
Auch bei „Vertrauensarbeitszeit“ hat der Arbeitgeber die Aufzeichnungen der gesamten Arbeitszeit seiner Beschäftigten mindestens zwei Jahre aufzubewahren, um sie etwa für aufsichtsbehördliche Prüfungen in einem arbeitsgerichtlichen Verfahren oder auf Verlangen des Betriebsrates vorlegen zu können. Eine Aufbewahrung lediglich von elektronischen Mitteilungen über Verstöße gegen gesetzliche Regelungen würde diesem Zweck nicht entsprechen. Nur in der Gesamtschau könne festgestellt werden, ob Mehrarbeit innerhalb der vorgeschriebenen Ausgleichszeiträume ausgeglichen wird.


ART DER ELEKTRONISCHEN AUFZEICHNUNG
Eine bestimmte Art der elektronischen Aufzeichnung werde nicht vorgeschrieben. Neben den bereits gebräuchlichen Zeiterfassungsgeräten kämen auch andere Formen der elektronischen Aufzeichnung mit Hilfe von elektronischen Anwendungen wie Apps auf einem Mobiltelefon oder die Nutzung herkömmlicher Tabellenkalkulationsprogramme in Betracht.
Möglich sei auch eine kollektive Arbeitszeiterfassung durch die Nutzung und Auswertung elektronischer Schichtpläne. Dies gelte unter der Voraussetzung, dass sich aus dem Schichtplan für den einzelnen Arbeitnehmer Beginn, Ende und Dauer der täglichen Arbeitszeit ableiten lassen und Abweichungen von den im Schichtplan festgelegten Arbeitszeiten, wie beispielsweise Urlaub, Fehlzeiten und zusätzliche Arbeitszeiten, gesondert elektronisch erfasst werden.


VERHÄLTNIS ZU ANDEREN AUFZEICHNUNGSPFLICHTEN
Die Regelungen zur Aufzeichnung der Arbeitszeit sollen neben anderen (zum Beispiel mindestlohnrechtlichen) Aufzeichnungspflichten stehen. Die Arbeitszeitaufzeichnungspflichten im Arbeitszeitgesetz und in anderen Gesetzen seien weiterhin unabhängig voneinander zu erfüllen. Sie werden unabhängig voneinander kontrolliert. Indes könne ein Arbeitgeber in der Praxis eine Aufzeichnung führen, die den Vorgaben unterschiedlicher Rechtsgrundlagen genügt.


AUFZEICHNUNG AUCH DURCH ARBEITNEHMER MÖGLICH
Mit der Regelung werde klargestellt, dass die Aufzeichnung der Arbeitszeit auch durch die Arbeitnehmer erfolgen kann. Der Arbeitgeber kann auch Dritte (etwa Vorgesetzte der Beschäftigten oder den Entleiher von Leiharbeitnehmern) mit der Aufzeichnung beauftragen. Der Arbeitgeber bleibt jedoch auch bei einer Übertragung verantwortlich für die ordnungsgemäße Umsetzung der Aufzeichnungspflicht. Gegebenenfalls habe der Arbeitgeber die Arbeitnehmer zur ordnungsgemäßen Führung der Aufzeichnungen anzuleiten.
Wenn die Aufzeichnung durch den Arbeitnehmer oder Dritte erfolgt, soll die Arbeitsschutzbehörde bei Feststellung eines Verstoßes gegen die Aufzeichnungspflicht berücksichtigen, ob der Arbeitgeber die Aufzeichnenden ordnungsgemäß über die Erfassungspflicht informiert und die Aufzeichnungen zumindest durch Stichproben regelmäßig kontrolliert hat und der Verstoß allein auf das Verhalten der oder des Aufzeichnenden zurückzuführen ist.


Der Referentenentwurf enthält zudem eine nach Unternehmensgröße gestaffelte Übergangsregelung für die Einführung eines elektronischen Systems der Arbeitszeiterfassung. Generell können Arbeitgeber bis zu einem Jahr nach Inkrafttreten des Gesetzes die Arbeitszeit nicht elektronisch, also zum Beispiel handschriftlich aufzeichnen. Für Arbeitgeber mit weniger als 250 Arbeitnehmern gilt die Übergangsregelung zwei Jahre, für Arbeitgeber mit weniger als 50 Arbeitnehmern fünf Jahre.


KLEINBETRIEBSKLAUSEL
Für Arbeitgeber mit bis zu zehn Arbeitnehmern soll eine Kleinbetriebsklausel eingeführt werden. Sie können dauerhaft von der Vorgabe der elektronischen Aufzeichnung der Arbeitszeiten abweichen.
Es bleibt abzuwarten, ob der Referentenentwurf in genau dieser Form übernommen werden wird.

 

RA Michael Lennartz

www.lennmed.de

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