Rechtstipp. Das Landesarbeitsgericht Thüringen hat am 28.02.2024 über die ­Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung gegenüber einer Praxismitarbeiterin entschieden (Az.: 4 Sa 166/23). Diese hatte Aktenmanipulationen vorgenommen.

Autor: RA Michael Lennartz

Die geprüfte medizinische Dokumentationsassistentin war seit Ende 2005 bei einer Ärztin beschäftigt. Bis ins Jahr 2020 verlief das Arbeitsverhältnis beanstandungsfrei. Aus Sicht der Ärztin änderte sich dies mit Änderungen in den persönlichen Verhältnissen der Mitarbeiterin. Die Probleme eskalierten bis hin zur Erteilung von zwei Abmahnungen Ende 2022 innerhalb von zwei Monaten. Im Kern ging es darum, dass die Ärztin der Mitarbeiterin vorwarf, während der Arbeitszeit private Dinge erledigt zu haben und auch die Praxis ohne Absprache mit ihren Kolleginnen verlassen zu haben.

Im Dezember 2022 stellte die Ärztin einer Patientin eine Heilmittelverordnung (Lymphdrainage) aus. Die Ärztin machte der Mitarbeiterin Vorhaltungen im Zusammenhang mit dieser Heilmittelverordnung, unter anderem, diese nicht zur Post gebracht zu haben. Im Zusammenhang mit diesem Vorgang änderte die Mitarbeiterin in der elektronischen Patientenakte der betroffenen Patientin das Ausstellungsdatum der Heilmittelverordnung vom 14.12.2022 auf den 12.12.2022. Bei der elektronischen Patientenakte ist bei einer solchen Änderung das ursprüngliche Ausstellungsdatum nicht mehr erkennbar.

Die Ärztin kündigte das Arbeitsverhältnis außerordentlich, nachdem ermittelt werden konnte, dass die Mitarbeiterin die Patientenakte eigenmächtig geändert hat.

ArbG-Entscheidung

In der Vorinstanz wurde vom Arbeitsgericht (ArbG) Gera mit Urteil vom 05.07.2023 die gegen die Kündigung erhobene Klage der Mitarbeiterin abgewiesen. Aufgrund der Anhörung beider Parteien in der mündlichen Verhandlung sei davon auszugehen, dass die Mitarbeiterin nicht glaubwürdig, ihre Ausführungen nicht glaubhaft seien. Die Mitarbeiterin habe keine stringente Erklärung für ihr Verhalten gehabt. Damit liege eine schwere Pflichtverletzung vor, weil die Klägerin die elektronische Patientenakte nachträglich verändert und damit gefälscht habe. Die Interessenabwägung falle zu ihren Lasten aus, weil in einem kleinen Betrieb wie dem der Ärztin alle miteinander Hand in Hand arbeiten müssten. Die Chemie zwischen den Mitarbeitern müsste stimmen und man müsse jedem Mitarbeiter vertrauen können. Dies werde durch die lange Betriebszugehörigkeit der klagenden Mitarbeiterin nicht aufgewogen.

LAG-Entscheidung

Das Landesarbeitsgericht (LAG) Thüringen bestätigte die Entscheidung der Vorinstanz und verwarf die Berufung der (ehemaligen) Mitarbeiterin. Die nachträgliche Veränderung von Daten in der elektronischen Patientenakte durch die Klägerin sei eine schwerwiegende arbeitsvertragliche Pflichtverletzung, welche an sich geeignet ist, einen wichtigen Grund für eine außerordentliche Kündigung darzustellen.

Zu Lasten der klagenden Mitarbeiterin sei zu berücksichtigen, dass sie als ausgebildete, staatlich geprüfte medizinische Dokumentationsassistentin wusste, wie mit der Patientenakte umzugehen ist. Ferner nahm sie die Manipulation der Akte vor, um den Vorhaltungen der Beklagten zu entgehen und den Vorgang um die Heilmittelverordnung zu verschleiern.

Mit dem Verhalten habe sie das in sie gesetzte Vertrauen zerstört. Die Ärztin könne sich nicht darauf verlassen, dass die Klägerin die Behandlungsdokumentation den Vorschriften entsprechend vornimmt. So könne die Ärztin auch im Übrigen nicht mehr darauf vertrauen, dass die Klägerin ihren Anweisungen folgt.

Damit fehle eine wesentliche Voraussetzung, um das Arbeitsverhältnis im besonders sensiblen Bereich der Patientenversorgung fortführen zu können. Die Risiken hieraus für die Patienten, aber auch für die für Fehler haftende Ärztin seien zu hoch.

© Manuel Ballauf / Fotolia

RA Michael Lennartz

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