Rechtstipp. Ein erkrankter und unter Betreuung stehender Arzt will seine Ärztekammer mit der Verwahrung seiner ­Patientenakten beauftragen. Das Gericht entscheidet allerdings, die Betreuerin des Arztes dürfe die Akten verwahren. Wenn ein Patient Einsicht in seine Akte nehmen wolle, müsse die Betreuerin aufgrund ihrer fehlenden Stellung als Ärztin dafür Sorge tragen, dass befugte, der Schweigepflicht unterliegende Personen diese Aufgabe übernähmen.

Autor: RA Michael Lennartz

In seinem Beschluss vom 05.02.2024 hat sich das Oberverwaltungsgericht (OVG) Mecklenburg-Vorpommern (AZ: 2 M 337/23 OVG) mit der Frage befasst, ob sich für ein Kammermitglied aus dem maßgeblichen Heilberufsgesetz ein subjektives Recht auf Übernahme von Patientenakten durch seine Ärztekammer ergibt. Dieser Fall ist von besonderer Bedeutung, da der Verkauf einer (Zahn-)Arztpraxis heute keine Selbstverständlichkeit ist und sich bei der Verwahrung der Patientenakten Problemfelder ergeben können. Hier sind individuelle Lösungen (etwa die Verwahrung durch Kollegen) unter Beachtung des im jeweiligen Kammerbereich geltenden Rechts zu prüfen, wenn die Verwahrung selbst nicht gewährleistet werden kann (etwa durch Wegzug ins Ausland).

Der Fall

In dem konkreten Fall konnte ein erkrankter und unter Betreuung stehender Arzt die Patientenakten seiner aufgelösten Hausarztpraxis nicht mehr selbst verwahren. Über eine einstweilige Anordnung wurde beantragt, dass die zuständige Ärztekammer die Patientenakten für die Dauer der Aufbewahrungspflicht in Obhut zu nehmen und den Patienten bei Bedarf Einsicht zu gestatten hat.

Vorinstanz

In der Vorinstanz hatte das Verwaltungsgericht (VG) Schwerin den Antrag abgelehnt. Der Antrag sei unzulässig, weil sich aus dem maßgeblichen Heilberufsgesetz kein subjektives Recht ergebe, das durch die Verweigerung der Übernahme der Patientenakten verletzt sein könnte. Die Aufbewahrung der Patientenakten und die Gestattung der Einsichtnahme sei vorliegend auf andere Weise gewährleistet. Die Pflichten seien auf die Betreuerin übergegangen. Der Umstand, dass ein selbstständiges Kammermitglied aufgrund einer Erkrankung nicht mehr in der Lage sei, seine Angelegenheiten rechtlich zu besorgen, stelle keinen Ausnahmefall dar, durch den die Kammer zur Aufbewahrung der Patientenakten verpflichtet werde.

Die Entscheidung

Auch vor dem OVG Mecklenburg-Vorpommern konnte sich der Arzt nicht durchsetzen. Das VG habe zutreffend einen Anspruch gegen die Ärztekammer auf Inobhutnahme der Patientenakten für die Dauer der Aufbewahrungspflicht und Gestattung von Einsicht durch die Patienten gemäß § 4 Abs. 1 Nr. 14 Heilberufsgesetz Mecklenburg-Vorpommern verneint. Danach treffe die Kammern auch die Aufgabe, zur Wahrung der Interessen des Allgemeinwohls und unter Beachtung der Rechte der Patienten die Patientenakten ihrer niedergelassenen Kammermitglieder für die Dauer der Aufbewahrungspflicht in Obhut zu nehmen und den Patienten Einsicht zu gestatten, sofern die Aufbewahrung und die Gestattung der Einsichtnahme nicht durch die niedergelassenen Kammermitglieder oder auf andere Weise gewährleistet ist. Der Kammer fiele erst dann die Aufgabe der Aufbewahrung und Einsichtsgestattung zu, wenn diese Aufgabe nicht anderweitig gewährleistet werden könne. Vorliegend sei eine Übernahme der Praxis des Antragstellers durch ein anderes niedergelassenes Kammermitglied unstreitig nicht erfolgt, sodass sich die Frage stellt, ob diese Aufgabe auf „andere Weise“ gewährleistet werden kann.

Grundsätzlich treffen die Pflichten hinsichtlich der Patientenakten den behandelnden Arzt. Gebe dieser seine Praxis auf, obliegen ihm weiterhin diese auch nach der Praxisaufgabe fortwirkenden Pflichten. Der Umstand, dass der Antragsteller selbst aufgrund seiner Erkrankung diese Aufgaben nicht mehr wahrnehmen kann, habe zur Folge, dass die Betreuerin für den Antragsteller eingesetzt worden sei.

Der Aufgabenbereich der bestellten Betreuerin habe hier ausweislich der Beschlüsse des zuständigen Amtsgerichts auch die „Auflösung und Abwicklung der Hausarztpraxis“ beinhaltet. Eine Einschränkung der von der Betreuerin wahrzunehmenden Aufgaben ergebe sich nicht.

Aufbewahrung geht auf Erben über

Mit der Bestimmung des Aufgabenkreises der Betreuerin sei keine Rechtsnachfolge verbunden. Eine solche Rechtsnachfolge sei lediglich im Falle des Versterbens des Arztes anzunehmen, weil dann die Obhutspflicht zur Aufbewahrung der Patientenakten auf seine Erben übergehe. Stehe der Erbe (noch) nicht fest, komme insoweit die Anordnung einer Nachlasspflegschaft in Betracht, wobei der Nachlasspfleger dann die entsprechenden Verpflichtungen des Erblassers als behandelnder Arzt wahrzunehmen habe.

Die Betreuerin dürfe keine Einsicht in die Patientenakten nehmen. Dies stehe jedoch nicht ihrer Verpflichtung als Betreuerin hinsichtlich der Patientenakten entgegen. Soweit die Betreuerin aufgrund einer fehlenden Stellung als Ärztin diese ihr zufallenden Aufgaben nicht selbst wahrnehmen könne, müsse sie aufgrund des bestehenden Betreuungsverhältnisses Sorge dafür tragen, dass hierzu befugte Personen, die der Schweigepflicht unterliegen, die Einsichtnahme in und Herausgabe der Patientenakten vornehmen können. Dazu gehöre auch, dass die Patientenakten sicher verwahrt werden.

 

 

RA Michael Lennartz

www.lennmed.de

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