Nicht nur Behandlungsfehler können zu einer Schadensersatzpflicht des Zahnarztes führen, sondern auch Fehler bei Aufklärung und Einwilligung im Vorfeld der Behandlung. Dazu gehört aber keine „Sperrfrist“ zwischen Aufklärung und Einwilligung. Die gibt es nicht, hat der Bundesgerichtshof entschieden.

Die Aufklärung über die medizinisch angedachte Behandlung muss so rechtzeitig erfolgen, dass ein Patient „durch hinreichende Abwägung der für und gegen den Eingriff sprechenden Gründe seine Entscheidungsfreiheit und damit sein Selbstbestimmungsrecht in angemessener Weise wahrnehmen kann“. Gleichwohl gibt es nach einer ordnungsgemäßen rechtzeitigen Aufklärung vor der Einwilligung allerdings keine einzuhaltende „Sperrfrist“, wie es der Bundesgerichtshof (BGH) in seinem Urteil vom 20.12.2022 entschieden hat (vgl. Az. VI ZR 375/21).


In dem Fall des BGH suchte der Kläger wegen anhaltender Ohrenbeschwerden ein Krankenhaus auf, wo nach eingehender Untersuchung eine Nasenoperation zwecks Optimierung der Nasenluftpassage geplant wurde. Das Aufklärungsgespräch führte am 01.11.2013 eine bei der Beklagten angestellte Ärztin durch und erläuterte dem Patienten auch die Risiken der Operation. Direkt im Anschluss unterzeichnete der Patient das Einwilligungsformular; die Operation wurde dann am 04.11.2013 durchgeführt. Während der Operation kam es zu Verletzungen der Hirnhaut und der vorderen Hirnschlagader, der linke Riechnerv wurde durchtrennt. Der Kläger musste daraufhin umfassend stationär und ambulant behandelt werden.


Mit einer auf Zahlung von Schadensersatz und Schmerzensgeld gerichteten Klage machte der Kläger neben Behandlungsfehlervorwürfen auch geltend, nicht richtig aufgeklärt worden zu sein; man habe ihm vor seiner Einwilligung nicht genügend Bedenkzeit eingeräumt. Das erstinstanzliche Landgericht wies die Klage ab, in der Berufungsinstanz gab das befasste Oberlandesgericht (OLG) der Klage statt im Monieren, dem Kläger sei nach der Aufklärung keine ausreichende Bedenkzeit gemäß § 630e Abs. 2 Nr. 2 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch) eingeräumt worden. Hiergegen wandte sich das Krankenhaus im Revisionsverfahren beim BGH.


ERKENNBAR EINGESCHRÄNKTE ENTSCHLUSSKRAFT?
Der BGH verneinte den Aufklärungsfehler; es gebe nach der Aufklärung und vor der Einwilligung keine einzuhaltende gesetzliche „Sperrfrist“. Vielmehr sei der Zeitpunkt, sich nach einer Aufklärung für oder gegen die vorgeschlagene Behandlung zu entscheiden, allein Sache des Patienten. Sehe dieser sich bereits nach dem Aufklärungsgespräch zu einer wohlüberlegten Entscheidung in der Lage, sei es sein gutes Recht, die Einwilligung sofort zu erteilen. Würde hingegen Bedenkzeit gewünscht, so sei diese einzuräumen. Ist das aber nicht eindeutig der Fall, könne der Arzt grundsätzlich davon ausgehen, dass der Patient keine weitere Überlegungszeit benötige.
Das bedeute, wenn der Arzt konkrete Anhaltspunkte dafür habe, dass der Patient noch Zeit für seine Entscheidung benötige, sich das etwa durch eine erkennbar eingeschränkte Entschlusskraft zeige, dann sei allerdings eine andere Beurteilung der Sachlage geboten. Gleiches gelte, wenn dem Patienten nicht die Möglichkeit gegeben werde, weitere Überlegungszeit in Anspruch zu nehmen. Das sei etwa – von medizinisch dringenden Behandlungsmaßnahmen abgesehen – dann anzunehmen, wenn der Patient zu einer Entscheidung gedrängt oder „überfahren“ werde.
Der BGH verwies das Verfahren an das zuständige OLG zurück zur Prüfung, ob ein Behandlungsfehler vorliege.

 

RA Michael Lennartz

www.lennmed.de

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