Corona-Schutzimpfung und Zahnarztpraxen – rechtliche Seite

Aktuelle Regeln. Ein Ende der Corona-Pandemie ist nicht in Sicht. Gesetzlich wird in vielfacher Hinsicht ver­sucht, der Krise Herr zu werden, auch mit direkten Auswirkungen auf die Zahnarztpraxen. Beim Thema „Impfpflicht“ scheiden sich oft die Geister. Hier ein erster Überblick über die aktuellen Regeln und den berufsrechtlichen Bezug sowie zur bisherigen Positionierung des Bundesverfassungsgerichts zur Impfpflicht bei Masern.

IMPFUNG DURCH ZAHNÄRZTINNEN UND ZAHNÄRZTE
Mit dem in Kraft getretenen Gesetz zur Stärkung der Impfprävention gegen COVID-19 wurde der Rechtsrahmen dafür geschaffen, dass Zahnärztinnen und Zahnärzte unter bestimmten Bedingungen Corona-Schutzimpfungen durchführen können. Nach der Gesetzesbegründung handelt es sich um eine Ausnahmeregelung für Apotheker, Zahnärzte und Tierärzte. Voraussetzung für die zahnärztliche Impfung ist nach dem Gesetz unter anderem die Teilnahme an einer zertifizierten ärztlichen Schulung. Hierfür ist durch die Bundeszahnärztekammer und Bundesärztekammer ein Mustercurriculum zu erstellen.

In der Begründung wird ausdrücklich festgestellt, dass die Impfungen in der zahnmedizinischen Ausbildung nicht vorgesehen sind. Zudem wird festgehalten, dass eine Impfung nur statthaft ist, wenn es in den Berufsordnungen keine gegenteiligen Regelungen gibt. Die Berufsordnungen der Landeszahnärztekammern dürfen also keine gegenteiligen Regelungen enthalten, und es macht Sinn, dies mit seiner Kammer abzuklären, sofern diese keine verbindliche Aussage zu diesem Thema getroffen hat.
Neben der Absolvierung eines Curriculums werden zudem geeignete Räumlichkeiten gefordert. Nach der Gesetzesbegründung können dies auch Räumlichkeiten außerhalb einer Praxis oder ein Impfzentrum sein. Auch die Delegation des Impfens ist möglich.


Zu beachten ist, dass die Infrastruktur und die erforderlichen Unterlagen (zum Beispiel Aufklärungsbögen) für die Impfungen vorgehalten werden müssen. So müssen QR-Codes für Zertifikate gescannt werden, gesetzlich vorgesehene Meldung an das RKI erfolgen oder die Impfstoffe fachgerecht gelagert werden. Auch räumlich wird es nicht immer einfach sein, Impfungen mit den nötigen Mindestabständen während des normalen Praxisbetriebes durchzuführen.


In der Praxis wird es Zeit brauchen, bis die geforderten Schulungen kammerseits organisiert sind. Zudem muss unbedingt mit der eigenen Berufshaftpflichtversicherung abgeklärt werden, dass bei einer zahnärztlicherseits durchgeführten Corona-Schutzimpfung auch wirklich Versicherungsschutz besteht (siehe auch Seite 28). Auch wenn eine gesetzliche temporäre Sonderregelung besteht, erfolgt die Behandlung außerhalb des im Zahnheilkundegesetz festgelegten Behandlungsspektrums und außerhalb des „Lippenrotes“. Im Versicherungsvertrag wird dies regelmäßig nicht abgedeckt sein.


IMPFPFLICHT IN DER ZAHNARZTPRAXIS
Am 12.12.2021 ist mit dem neuen Infektionsschutzgesetz eine vorerst bis zum 31.12.2022 gültige Impfpflicht für das Praxispersonal eingeführt worden, die ab dem 15.03.2022 greift. Alle in einer Zahnarztpraxis tätigen Personen müssen dann entweder geimpft oder genesen sein, wobei hier die gesetzlichen Grundlagen im Einzelnen zu beachten sind. Wer aufgrund einer medizinischen Kontraindikation nicht gegen COVID-19 geimpft werden kann, muss dies durch ärztliches Zeugnis nachweisen. Bei Nichtbeachtung der gesetzlichen Vorgaben (zum Beispiel durch einen Arbeitnehmer) wird dies auch zu arbeitsrechtlichen Konsequenzen führen, wie etwa einer unbezahlten Freistellung durch den Arbeitgeber.


IMPFPFLICHT – WIE WEIT DARF DER GESETZGEBER GEHEN?
Die Impfpflicht wird durchaus kontrovers diskutiert, wobei man natürlich keine Glaskugel hat, um eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes vorauszusehen.


EINGRIFF IN DIE KÖRPERLICHE UNVERSEHRTHEIT
Die Impfpflicht stellt einen Eingriff in das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit nach Art. 2 Grundgesetz dar. Damit ein solcher Eingriff in die körperliche Unversehrtheit gerechtfertigt und zulässig ist, muss der Staat vorher alle anderen möglichen milderen Mittel ausschöpfen.
Grundsätzlich gilt: Grundrechte werden nicht unbegrenzt gewährleistet, sondern können zur Gewährleistung anderer Grundrechte eingeschränkt werden. Voraussetzung für eine rechtmäßige Impfpflicht ist, dass auch Ausnahmen möglich wären, beispielsweise für Menschen, die sich aus gesundheitlichen Gründen nicht impfen lassen können.


MASERN-PFLICHTIMPFUNG
Die Impfpflicht ist in Deutschland keine Neuheit. In der Vergangenheit gab es bereits mehrere Pflichtimpfungen, beispielsweise gegen Tuberkulose oder Kinderlähmung. Seit März 2020 gilt die Impfpflicht gegen Masern für Kinder, Lehrer und Betreuer in Kitas und Schulen.


Das Bundesverfassungsgericht hat in Eilverfahren (1 BvR 469/20 und 1 BvR 470/20) am 11.05.2020 zur Impflicht bei Masern entschieden, dass die Interessen der Impfverweigerer gegenüber dem Interesse an der Abwehr infektionsbedingter Risiken für Leib und Leben einer Vielzahl von Personen zurücktreten.


Denn Impfungen gegen Masern in bestimmten Gemeinschaftseinrichtungen schützen nicht nur das Individuum gegen die Erkrankung, sondern verhindern gleichzeitig die Weiterverbreitung der Krankheit in der Bevölkerung. Wörtlich heißt es in dem Beschluss unter anderem:
„Bei Gegenüberstellung der danach jeweils zu erwartenden Folgen muss das Interesse der Antragsteller, ihre Kinder ohne Masernschutzimpfung in einer Gemeinschaftseinrichtung betreuen zu lassen beziehungsweise selbst dort betreut zu werden, gegenüber dem Interesse an der Abwehr infektionsbedingter Risiken für Leib und Leben einer Vielzahl von Personen zurücktreten.


Die Nachteile, die mit Inkrafttreten der angegriffenen Regelungen des Masernschutzgesetzes nach späterer Feststellung seiner Verfassungswidrigkeit verbunden wären, überwiegen in Ausmaß und Schwere nicht – und schon gar nicht deutlich – die Nachteile, die im Falle der vorläufigen Verhinderung eines sich als verfassungsgemäß erweisenden Gesetzes ein­träten.“


Angesichts dieser Rechtsprechung wird sich die Frage stellen, ob die jetzt eingeführte auch partielle Impfpflicht unter anderem im Bereich der Zahnarztpraxen vom Bundesverfassungsgericht gesehen wird, sofern es mit dieser Frage befasst wird. Entscheidend wird die Abwägung der grundgesetzlich geschützten Interessen sein.

RA Michael Lennartz

www.lennmed.de

Zurück