Am 6. März hat das Bundessozialgericht (BSG) sein mit großer Spannung erwartetes erstes „TI-Urteil“ gesprochen. Hintergrund war die Klage einer gynäkologischen Berufsausübungs-gemeinschaft (BAG) aus Rheinland-Pfalz, die gerichtlich den Honorar-Bescheid des Quartals 1/2019 der Kassenärztlichen Vereinigung angriff. Dies deshalb, da eine Honorarkürzung wegen Nichtdurch-führung des sogenannten Versichertenstammdatenmanagements (VSDM) mittels der Telematik-Infrastruktur (TI) vorgenommen worden war.

Mit ihrer Anfechtungsklage verfolgte die BAG erstinstanzlich nicht nur das Ziel, die Honorarkürzung rückgängig zu machen, sondern inzident auch feststellen zu lassen, dass das der Honorarkürzung zugrunde liegende Gesetz nicht rechtmäßig sei. Begründung hierfür war unter anderem, dass der Anschluss einer Praxis an die TI aufgrund ungeklärter datenschutzrechtlicher Verantwortlichkeiten und unzureichender technischer Sicherheitsstandards gegen die Vorgaben der Datenschutzgrund-Verordnung verstoße, deswegen Patientendaten gefährdet würden und auch ein unzulässiger Eingriff in die Berufsfreiheit von (Zahn-)Ärzten vorläge. Das ausgangs mit der Klage befasste Sozialgericht Mainz sah das anders und wies die Klage der BAG ab, wogegen diese eine sogenannte „Sprungrevision“ beim BSG einlegte.

SPRUNGREVISION ZUM BSG
Nun war aber auch in Kassel der klagenden BAG kein Erfolg vergönnt, denn laut BSG erfolgte die streitige Honorarkürzung zu Recht. Ausweislich des vorliegenden Terminsberichts des BSG – die ausführliche schriftliche Urteilsbegründung steht noch aus – stellt die Verpflichtung für vertrags(zahn)ärztliche Leistungserbringer zur TI-Anbindung nach Ansicht der obersten Sozialrichter keinen unverhältnismäßigen Eingriff in die ärztliche Berufsfreiheit dar. Vielmehr entspreche das VSDM mittels der TI den besonderen Anforderungen an die Verarbeitung von personenbezogenen Daten im Gesundheitsbereich und sei durch die dem zugrunde liegenden gesetzlichen Normen gedeckt. TI-kritischen (Zahn-)Ärzten dürfte in diesem Zusammenhang besonders aufstoßen, dass nach Ansicht des BSG zu Recht die Verantwortlichkeit für den Bereich der dezentralen TI-Komponenten (zum Beispiel Konnektor) bei den Vertragsärzten liege.

Ob sich die Richter allerdings mit der Frage, wie Praxisinhaber mangels Auswahl- und Kontrollmöglichkeiten dieser Verantwortung überhaupt gerecht werden können, auseinandergesetzt haben, kann erst nach Vorliegen der schriftlichen Urteilsgründe beantwortet werden. Ebenso muss abgewartet werden, wie sich die Richter zu dem klägerischen Vorbringen verhalten, dass die datenschutzrechtliche TI-Verantwortlichkeit außerhalb einer Praxis seitens des Gesetzgebers nicht geregelt ist.


VSDM SOLL LEISTUNGSMISSBRAUCH VERHINDERN
Dem online abrufbaren BSG-Terminsbericht ist weiter zu entnehmen, dass die Verpflichtung zur Durchführung des VSDM dem legitimen Zweck diene, Leistungsmissbrauch durch die Identifizierung ungültiger, verlorener oder gestohlen gemeldeter elektronischer Gesundheitskarten zu verhindern und deswegen verhältnismäßig sei. Kritisch hinterfragt werden könnte an dieser Stelle, in welcher Größenordnung überhaupt ein solcher Leistungsmissbrauch stattfindet oder stattfand und in welchem Verhältnis dieser zu den VSDM-Honorarkürzungen steht.


Nach Ansicht der Kasseler Richter stelle die VSDM-Honorarkürzung jedenfalls keinen unverhältnismäßigen Eingriff in die Berufsfreiheit von Vertrags(zahn)ärzten dar.


ANDERE TI-KLAGE WURDE ZURÜCKGEZOGEN
Am selben Tag sollte das BSG zudem über die Revision eines Kinderarztes entscheiden, der gegen die seiner Meinung nach unzureichende TI-Erstattungspauschalen im Quartal 3/2018 klagte. Er nahm seine Revision jedoch im Hinblick auf ein anderes, ähnliches Verfahren zurück, das noch vor dem Landessozialgericht Baden-Württemberg anhängig ist.
Der Mediverbund, der die klagende BAG unterstützte, zeigte sich enttäuscht über den Ausgang des ersten Verfahrens. Man werde nun prüfen, ob man weitere prozessuale Schritte gegen das BSG-Urteil einleiten werde – dies ist allerdings erst nach Vorlage und Prüfung der schriftlichen Urteilsgründe möglich.

 

 

RA Michael Lennartz

www.lennmed.de

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