Approbationsentzug nach Versicherungsbetrug

Was passiert, wenn Ärzte oder Zahnärzte abseits der eigentlichen Berufsausübung erheblich betrügen und dafür gerichtlich verurteilt werden? Für das Bundesverwaltungsgericht ist dies ein schwer­wiegendes außerberufliches Fehlverhalten, aus dem sich die Unwürdigkeit zur weiteren Ausübung des ärzt­lichen Berufs ergebe.

Eine Allgemeinärztin hatte ihrem Versicherer zwischen August 2007 und Oktober 2011 in 22 Fällen eine Arbeitsunfähigkeit angezeigt und über die dort abgeschlossene Krankentagegeldversicherung die Zahlung von Krankentagegeld veranlasst. Insgesamt hatte sie Leistungen in Höhe von ca. 65.000 Euro bezogen. Tatsächlich aber war die Ärztin in den Zeiträumen der angeblichen vollständigen Arbeitsunfähigkeit teils als selbstständige Ärztin in ihrer Praxis und teils als Schiffsärztin tätig. Sie wurde infolgedessen vom Amtsgericht Passau wegen Betrugs in 22 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und zehn Monaten auf Bewährung verurteilt.


WIDERRUF DER APPROBATION
Daraufhin widerrief die Regierung von Oberbayern mit Bescheid vom 28. April 2015 die Approbation der Ärztin. Begründet wurde der Approbationsentzug berufsrechtlicher Unwürdigkeit gemäß § 5 Abs. 2 Satz 1 i. V. m. § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BÄO (Bundesärzteordnung). Auf die Klage der Ärztin hin hob das Verwaltungsgericht Regensburg (Urt. v. 28.04.2016 – RN 5 K 15.1137) den Bescheid mit der Begründung auf, dass das Ansehen der Ärzteschaft nur in relativ geringem Umfang beeinträchtigt sei, da die von der klagenden Ärztin verübten Betrugstaten keinen Bezug zum Arztberuf aufwiesen und bereits längere Zeit zurücklägen. Aus Gründen der Verhältnismäßigkeit sei eine Berufsunwürdigkeit zu verneinen.


Auf die Berufung der Regierung von Oberbayern hob der Verwaltungsgerichtshof (VGH) München die erstinstanzliche Entscheidung auf und wies die Klage gegen den Widerruf der Approbation ab (Urt. v. 28.06.2017 – 21 B 16.2065). Zum maßgeblichen Zeitpunkt des Abschlusses des Verwaltungsverfahrens sei die Approbation zwingend zu widerrufen gewesen. Die Klägerin habe sich eines Verhaltens schuldig gemacht, aus dem sich ihre Unwürdigkeit zur weiteren Ausübung des ärztlichen Berufs ergebe. Die von ihr verübte Straftat führe bei Würdigung aller Umstände dazu, dass sie nicht mehr das für die Ausübung des ärztlichen Berufs unabdingbar nötige Ansehen und Vertrauen besitze.


Die Allgemeinheit erwarte bei der gebotenen objektiven Betrachtung von einem Arzt, dass er anderen nicht durch erhebliche Straftaten wesentlichen Schaden zufüge, weil das dem Bild vom helfenden und heilenden Arzt zuwiderliefe. Die Betrugstaten der Klägerin hätten mit Blick auf den langen Tatzeitraum und die Höhe des Schadens erhebliches Gewicht. Sie belegten, dass sie für den eigenen Vorteil bereit sei, sich über finanzielle Interessen Dritter hinwegzusetzen und diesen einen erheblichen Schaden zuzufügen. Das rechtfertige die Annahme der Berufsunwürdigkeit. Der Zeitablauf von dreieinhalb Jahren seit Beendigung der letzten Betrugstat bis zur Widerrufsentscheidung gebe keine Veranlassung zu einer anderen Bewertung.Der Verwaltungsgerichtshof hatte die Revision gegen sein Urteil nicht zugelassen. Hiergegen wandte sich die Ärztin mit einer sogenannten Nichtzulassungsbeschwerde an das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG).


ENTSCHEIDUNG DES BUNDESVERWALTUNGSGERICHTES
Erfolg hatte sie damit nicht. Das BVerwG wies in seinem Beschluss vom 31.07.2019 (3 B 7.18) sehr deutlich darauf hin, dass die aufgeworfenen Fragen im Zusammenhang mit dem Approbationsentzug der Klägerin in der höchstrichterlichen Rechtsprechung bereits geklärt seien.


Wegen des grundgesetzlich gewährleisteten Schutzes der Berufsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG und des Verhältnismäßigkeitsgebotes könne grundsätzlich nur ein schwerwiegendes Fehlverhalten, das geeignet sei, das Vertrauen der Öffentlichkeit in den ärztlichen Berufsstand nachhaltig zu erschüttern und das mit dem Berufsbild und den allgemeinen Vorstellungen von der Persönlichkeit eines Arztes schlechthin nicht zu vereinbaren sei, zur Unwürdigkeit im Sinne von § 5 Abs. 2 Satz 1 i. V. m. § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BÄO führen. Entsprechend seien sämtliche Umstände des Einzelfalles bei der Beurteilung der Unwürdigkeit zu berücksichtigen.


In der Rechtsprechung sei aber auch geklärt, dass der Ansehens- und Vertrauensverlust, der für die Annahme der Unwürdigkeit erforderlich sei, auch durch Straftaten bewirkt werden könne, die nicht im Arzt-Patienten-Verhältnis angesiedelt seien oder die ein außerberufliches Fehlverhalten betreffen, wenn es sich dabei um gravierende Verfehlungen im genannten Sinn handele.


GEWINNSTREBEN UM JEDEN PREIS
Der VGH sei von den verfassungsrechtlichen Vorgaben ausgegangen und habe insoweit festgestellt, dass die strafrechtlich geahndeten Betrugstaten der Klägerin mit Blick auf den langen Tatzeitraum und die Höhe des Schadens ein erhebliches Gewicht hätten und ein Gewinnstreben um jeden Preis offenbarten. Er habe insbesondere auch geprüft, ob seit Beendigung der letzten Betrugstat der Klägerin bis zum Zeitpunkt der Widerrufsentscheidung Umstände eingetreten seien, die der Annahme ihrer Berufsunwürdigkeit entgegenstünden, und dies verneint.


Einer zusätzlichen Abwägung mit den persönlichen Lebensumständen der Betroffenen und den Vollzugsfolgen des Approbationswiderrufs bedürfe es nicht, wenn die Betroffene sich eines Verhaltens schuldig gemacht habe, aus dem sich ihre Unwürdigkeit zur Ausübung des ärztlichen Berufs ergebe. Der Approbationswiderruf sei dann zwingend („ist zu widerrufen“).


Im Übrigen enthalte der Begriff der Unwürdigkeit kein prognostisches Element und erfordere daher keine auf die Person bezogene Gefahrenprognose. Auch eine Wiederholungsgefahr sei nicht erforderlich. Die Voraussetzungen der Berufsunwürdigkeit müssten aber noch im maßgeblichen Zeitpunkt des Abschlusses des Verwaltungsverfahrens vorgelegen haben.

 

RA Michael Lennartz

www.lennmed.de

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