Immer häufiger überprüfen Gerichte den Status von freien Mitarbeitern in Arzt- und Zahnarztpraxen. Dies betrifft auch Zahnärzte, die in Gemeinschaftspraxen in einer sogenannten „Null-Beteiligung“ tätig sind, Dienstleistungen im Abrechnungsbereich und Kollegen, die als „freie Mitarbeiter“ in Praxen arbeiten. Hier stellt sich die Frage der Sozialversicherungspflicht.
Eine Entscheidung des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 17.05.2017 (L 2 R 427/15) befasst sich mit der Frage: Ist ein Zahnarzt als angestellt einzustufen, wenn er in einer fremden Praxis bei der Behandlung der Patienten im Rahmen eines „Kooperationsvertrages“ mitwirkt und mit einem prozentualen Anteil an den Erlösen, die aus den Behandlungen herrühren, entlohnt wird, ohne an dem Vermögen und dem Gewinn der Praxis beteiligt zu sein?
Kooperationsvereinbarung mit Oralchirurgen
Zwischen dem Oralchirurgen und der Zahnarztpraxis bestand ein „Kooperationsvertrag“ für die Behandlung der Patienten. Danach verpflichteten sich beide zur kollegialen Zusammenarbeit und gegenseitigen konsiliarischen Beratung. Laut Vereinbarung hatte der Praxisinhaber die fachliche Aufsicht für die Behandlung der Patienten und stellte dem Kooperationspartner die Behandlungsräume, Arbeitsmittel, Instrumente und Materialien sowie Hilfsmaterial zur Verfügung. Die Vertragsparteien hatten auch Urlaubs- und Abwesenheitszeiten miteinander abzustimmen.
Als Vergütung erhielt der Oralchirurg ein monatliches Honorar in Höhe von 25 Prozent des von ihm erwirtschafteten Nettoumsatzes (Nettoumsatz = Umsatz abzüglich Material- und Laborkosten). Mit dieser Vergütung waren alle Ansprüche abgegolten.
Für die Zeit der Kooperation vom 23.10.2006 bis 30.11.2008 begehrte der Oralchirurg die Feststellung seines sozialversicherungsrechtlichen Status für seine Tätigkeit als Zahnarzt. Im Anschluss an seine Kooperationszeit wurde der Oralchirurg für die Zeit vom 27.11.2008 bis 15.07.2010 angestellt.
Die Entscheidung
Das LSG bestätigt das Urteil der Vorinstanz, wonach die Tätigkeit des Oralchirurgen ein sozialversicherungspflichtiges abhängiges Beschäftigungsverhältnis darstellt. Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung sei § 7 Abs. 1 SGB IV. Danach ist die Beschäftigung „die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis“ (§ 7 Abs. 1 Satz 1 SGB IV). Nach der Rechtsprechung des BSG setze eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist.
In einem fremden Betrieb sei dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt, was Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung angeht.
Kein Unternehmerrisiko
Die Gesamtschau spreche für ein abhängiges und – da mehr als nur geringfügig ausgeübtes, versicherungspflichtiges (bezogen auf die Arbeitslosenversicherung) – Beschäftigungsverhältnis. Der Oralchirurg habe insbesondere kein rechtlich relevantes Unternehmerrisiko zu tragen. Nach den vom BSG entwickelten Grundsätzen sei maßgebendes Kriterium für ein solches Risiko, ob eigenes Kapital oder die eigene Arbeitskraft auch mit der Gefahr des Verlustes eingesetzt wird, der Erfolg des Einsatzes der sächlichen oder persönlichen Mittel also ungewiss ist.
Bezogen auf seine Tätigkeit habe der Oralchirurg gerade kein unternehmerisches Risiko zu tragen. Er erhielt eine Vergütung, wobei ihm Kosten für Räumlichkeiten und des Personals nicht extra in Rechnung gestellt wurden. Der Oralchirurg sei auch nicht nach außen erkennbar als selbstständiger Zahnarzt aufgetreten, sondern allein der Praxisinhaber schloss die Behandlungsverträge mit den Patienten ab und stellte die Rechnungen aus. Die Revision wurde vom LSG nicht zugelassen.
In dem Urteil hat sich das Gericht nicht mit der vertragszahnärztlichen Konstellation befasst. Die Delegation von Leistungen an angestellte Zahnärzte bedarf naturgemäß des Status eines Vorbereitungsassistenten, Entlastungsassistenten oder angestellten Zahnarztes gem. § 32 b Zulassungsverordnung für Vertragszahnärzte (Zahnärzte-ZV). Außer bei temporären Vertretungen ist von der Beschäftigung von „freien zahnärztlichen Mitarbeitern“ unbedingt und dringend abzuraten. Gerade die Einbindung von zahnärztlichen Spezialisten und die rechtlich zulässigen Optionen (beispielsweise auch die Bildung einer Berufsausbildungsgemeinschaft und Praxisgemeinschaft) müssen sehr sorgfältig geprüft werden.
Michael Lennartz
www.heilberuferecht.eu