Das Arztbewertungsportal Jameda ist seit Langem umstritten. Ob das derzeitige Geschäftsmodell auf Dauer Bestand haben wird, hängt stark von Urteilen der Oberlandesgerichte in Köln und Düsseldorf ab.
Als Spätwirkung des Urteils des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 20.02.2018 (Az.: VI ZR 30/17) könnte nun doch noch ein Dammbruch in Sachen Jameda zugunsten der (Zahn-)Ärzte erfolgen. Dafür sprechen drei (bislang allerdings nicht rechtskräftige) Urteile des Landgerichts Bonn (Urt. v. 28.03.2019 [Az.: 18 O 143/18] und Urt. v. 29.03.2019 [Az.: 9 O 157/18, bisher nicht veröffentlicht]) sowie des Landgerichts Wuppertal (Urt. v. 29.03.2019 [Az.: 17 O 178/18]).
In allen Fällen hatten die Kläger – alles ohne ihren Willen bei Jameda.de gelistete Ärzte – den Portalbetreiber unter anderem aufgefordert, ihre Datensätze (Name, Fachrichtung, Praxisanschrift etc.) vollständig zu löschen und eine künftige Wiederveröffentlichung der Daten zu unterlassen.


DIE ENTSCHEIDUNGEN

In allen drei Fällen hatten die Kläger Erfolg. Die Landgerichte verurteilten Jameda, die Daten der klagenden Ärzte auf dem Portal zu löschen und die Veröffentlichung sogenannter Basisprofile mit den Daten künftig zu unterlassen.
Die Entscheidungen fußten erstmals auf der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO), dort dem Anspruch aus Art. 17 Abs. 1 lit. d. Demnach sind Daten zu löschen, wenn ihre Speicherung „unrechtmäßig“ ist. § 35 Abs. 2 S. 2 BDSG a. F. sah einen Löschanspruch für den Fall „unzulässiger“ Speicherung vor. Unrechtmäßig bzw. unzulässig ist (war) die Speicherung jeweils, wenn „die Verarbeitung […] zur Wahrung der berechtigten Interessen des Verantwortlichen oder eines Dritten erforderlich“ ist, „sofern nicht die Interessen oder Grundrechte und Grundfreiheiten der betroffenen Person, die den Schutz personenbezogener Daten erfordern, überwiegen“ (Art. 6 Abs. 1 lit. f DS-GVO) bzw. wenn „kein Grund zu der Annahme besteht, dass der Betroffene ein schutzwürdiges Interesse an dem Ausschluss der Erhebung, Speicherung oder Veränderung hat“ (§ 29 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BDSG a. F.).
Die Gerichte betonten übereinstimmend, dass die Grundsätze der Abwägung zwischen informationellem Selbstbestimmungsrecht des Betroffenen (hier Ärzte/Zahnärzte) und Kommunikationsfreiheit der Plattformbetreiber oder der Nutzer (hier Jameda) auch unter der Geltung der DSGVO unverändert weiterhin Bestand haben (auch wenn das LG Wuppertal kurioserweise der Meinung ist, dass der Maßstab der DSGVO zugunsten der Portalbetreiber weniger streng sei).
Die Abwägung geht aber wie im Urteil des BGH von Februar 2018 nach Meinung der Landgerichte zu Ungunsten von Jameda aus, und zwar wegen des Verkaufs der sogenannten „Premiumpakete“. Diese Pakete sahen bis zur Entscheidung des BGH vor, dass zahlende Jameda-Kunden auf den Profilseiten ihrer Konkurrenten im räumlich nahen Umfeld beworben werden, selbst die Werbung für niedergelassene Kollegen in der Umgebung auf ihrem Profil aber durch die Zahlung vermeiden, ohne dass dies dem Nutzer gegenüber offengelegt wird. Damit sollten – so warb Jameda laut BGH selbst – Patienten bewusst zu Premiumkunden gelenkt werden. Damit, so der BGH damals, verlasse Jameda seine Rolle als „neutraler Informationsmittler“ für Patienten, und das Gewicht der Grundrechte von Jameda aus Art. 5 GG sei deshalb geringer.


JAMEDA IST IN BERUFUNG GEGANGEN

Jameda hatte auf die Entscheidung hin die streitentscheidenden Anzeigen nach eigenen Angaben sofort entfernt, „Premiumpakete“ in „Gold“ und „Platin“ aber weiterhin verkauft.
Die für Kunden mit den Paketen verbundenen Vorteile (unter anderem Fotos statt Silhouetten, SEO-Dienstleistungen, Beratung zu Texten und einer Art Banner, die auf den „Gold“- oder „Platinstatus“ hinweist etc., die Vorteile im Einzelnen führt das LG Wuppertal sehr ausführlich auf) nahmen LG Bonn und Wuppertal aber zum Anlass, dem Löschanspruch nunmehr stattzugeben.
Mit den verbliebenen verdeckten, den Nutzern nicht unmittelbar einsichtigen Vorteilen von zahlenden „Premium“-Kunden würden Patienten bei der Auswahl bewusst von Nichtkunden weg- und zu Kunden des Portals hingelenkt. Das sei in der Wirkung nicht anders zu beurteilen als die Werbung für nahegelegene Konkurrenzpraxen, die der BGH 2018 zum Anlass der Verurteilung zur Löschung genommen habe. Jedenfalls das LG Wuppertal (a. a. O. Rn. 137) betonte, dass die Beurteilung auch dann nicht anders ausginge, wenn Jameda die mit einem Kundenkonto verbundenen Vorteile den Nutzern transparent machen würde.
Sollten diese Urteile Bestand haben (Jameda ist in allen drei Fällen in Berufung gegangen), würde dies Auswirkungen auf das Geschäftsmodell von Jameda haben. Man kann auf die Urteile der Oberlandesgerichte Köln und Düsseldorf gespannt sein.

PATIENTEN WÜRDEN BEWUSST HINGELENKT ZU ZAHLENDEN KUNDEN. DAS SEI WERBUNG, URTEILTEN DIE LG BONN UND WUPPERTAL

 

RA Michael Lennartz
www.heilberuferecht.eu

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