Erstattung wegen Systemversagens


Das Sozialgericht München hat sich mit der Frage befasst, ob bei einem bestimmten Patientenkollektiv (unter anderem leicht- oder mittelgradiges, lageabhängiges Schlafapnoesyndrom) ein Anspruch auf Erstattung der Kosten für eine selbstbeschaffte Unterkieferprotrusionsschiene gegeben sein kann.

In dem konkreten Fall (Urteil vom 13.02.2020, S 15 KR 1374/18) hatte der Patient einen BMI von 27,9 und litt an einem mittelschweren, rückenlageabhängigen obstruktiven Schlafapnoesyndrom. Im Nachtverlauf traten in Rückenlage einige kurze obstruktive Apnoen auf, den Rest der Nacht wurden obstruktive und zentrale Hypopnoen beobachtet.
Der Patient reichte bei seiner Krankenkasse gemeinsam mit Befundberichten einen Antrag auf Versorgung mit einer Unterkieferprotrusionsschiene sowie einen Kostenvoranschlag in Höhe von 1.479,58 Euro ein, der jedoch abgelehnt wurde. Der therapeutische Nutzen sei nicht nachgewiesen, hieß es. Nach Vorlage eines entsprechenden Befundberichts unter Verwendung der Schiene sei unter Vorbehalt einer Beurteilung durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) gegebenenfalls eine anteilige Kostenerstattung möglich.
Dem Argument, dass der Patient keine CPAP-Maske verträgt, folgte die Krankenkasse im Widerspruchsverfahren nicht. Es würde eine neue Untersuchungs- und Behandlungsmethode vorliegen, wobei eine positive Entscheidung des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) nicht vorliegen würde. Der Patient, der sich die Schiene zwischenzeitlich anfertigen ließ, verklagte seine Krankenkasse schließlich auf Zahlung.


ABLEHNUNG WAR RECHTSWIDRIG
Das SG München kommt zu dem Ergebnis, dass der Patient einen Anspruch nach § 13 Abs. 3 SGB V auf Erstattung der Kosten für die Schienenbehandlung hat. Die eigentliche Behandlung sei nach Erhalt der ablehnenden Entscheidung begonnen worden. Die Ablehnung sei rechtswidrig gewesen, da ein Leistungsanspruch gegenüber der Krankenkasse bestand. Die Unterkieferprotrusionsschiene gehöre zu den Leistungen, die von den gesetzlichen Krankenkassen als Sachleistung zu erbringen sind. Die Versorgung mit der Unterkieferprotrusionsschiene gehöre wegen eines Systemversagens für das Patientenkollektiv, dem der Patient angehöre, zu den Leistungen, die die Krankenkassen allgemein in Natur als Sach- oder Dienstleistung zu erbringen haben.
Der Patient habe zwar grundsätzlich keinen Anspruch auf Versorgung mit einer Unterkieferprotrusionsschiene, da es an der erforderlichen positiven Empfehlung des G-BA fehle.
Der Patient leide an einer obstruktiven Schlafapnoe. Dabei handelt es sich um eine schlafbezogene Atemstörung. Mit der Unterkieferprotrusionsschiene werde ein therapeutischer Erfolg in Bezug auf das Schlafapnoesyndrom angestrebt, was für die Einordnung als Hilfsmittel zur Sicherung des Erfolgs der Krankenbehandlung ausreiche.
Nach der Rechtsprechung des BSG bestünde eine Leistungspflicht der Krankenkasse ausnahmsweise dann, wenn die fehlende Anerkennung einer neuen Untersuchungs- oder Behandlungsmethode darauf zurückzuführen ist, dass das Verfahren vor dem Bundesausschuss trotz Erfüllung der für eine Überprüfung notwendigen formalen und inhaltlichen Voraussetzungen nicht oder nicht zeitgerecht durchgeführt wurde („Systemversagen“).


Zurück