Aufklärungspflicht: Alternative zum Implantat

Rechtstipp. Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main hat in einer aktuellen Entscheidung die bisherige Linie zu den Aufklärungspflichten zu Behandlungsalternativen bestätigt (Urt. v. 11.01.2019, Az.: 8 U 8/18).

Der Fall

Die Patientin war bei der beklagten Zahnarztpraxis über mehrere Jahre in zahnärztlicher Behandlung gewesen. Die Erstvorstellung erfolgte im April 2012, dabei wurde der Wurzelrest des unter einer Krone abgefaulten Zahns 14 sowie der von starker Parodontitis gekennzeichnete Zahn 15 extrahiert. Bei der Wiedervorstellung einen Monat später wurden eine Sanierungsbedürftigkeit des gesamten Oberkiefers festgestellt und zunächst eine Parodontitisbehandlung vorgenommen und die Planung und Vorbereitung einer OK-Prothese begonnen. Im November 2012 teilte die Klägerin mit, dass Zahn 13 alio loco entfernt worden war und die Versorgung neu geplant wurde. Darauf wurde im Mai 2013 ein Implantat regio 13 eingesetzt, das neben den Zähnen 21 bis 23 als Pfeiler einer inzwischen hergestellten gaumenfreien Teleskopprothese diente. Dabei wurden anderenorts eingebrachte Stifte regio 21 bis 23 belassen. Die Zähne lockerten sich in der Folge, und Zahn 23 musste wegen Aufweichung und Kariesbefall schließlich entfernt werden.

Die Patientin hatte unter anderem behauptet, dass sie nicht darüber informiert worden sei, dass eine Abstützung der Versorgung über zwei Implantate stabiler sei, womit sie nicht über gleich- beziehungsweise besserwertige Behandlungsalternativen aufgeklärt worden sei. Im Übrigen sei sie nicht ausreichend über die Gefahren der gewählten Versorgung informiert worden. Das Landgericht wies die Klage ab, die Aufklärung sei durch die beklagte Praxis nachgewiesen.

Die Entscheidung

Diese Entscheidung bestätigte das Oberlandesgericht. Es führt aus, dass für die Durchführung mehrerer Aufklärungsgespräche ab November 2012 durch die ausführliche Dokumentation mehrerer längerer Unterredungen mit der Klägerin „einiger Beweis“ erbracht worden sei. Insofern seien die Angaben der als Zeugin vernommenen behandelnden Zahnärztin glaubhaft, die eine Alternativ- und Risikoaufklärung anhand der Dokumentation geschildert, sich allerdings an das konkrete Gespräch mit der Klägerin nicht mehr erinnert hatte. Dass die Klägerin schon ausweislich der Dokumentation und auch nach den Angaben der behandelnden Zahnärztin bei einem Termin rund sechs Wochen vor der Insertion des Implantats nicht erneut aufgeklärt worden sei, sei unschädlich. Da ausreichende Aufklärungsgespräche im Herbst 2012 und Frühjahr 2013 bewiesen seien, sei die Klägerin ausreichend informiert gewesen. Eine (nochmalige) Aufklärung im März oder Mai 2013 sei dem gegenüber nicht erforderlich gewesen.

Dokumentation bei Aufklärung

Das Urteil zeigt einmal mehr, wie bedeutsam die umfängliche Dokumentation von Aufklärungsgesprächen im Haftungsfall ist. Darüber hinaus bestätigt es die von der Rechtsprechung bis zum Patientenrechtegesetz (PatRG) 2013 vorgegebene Linie, dass an den Beweis der Aufklärung keine „übertriebenen Anforderungen“ gestellt, insbesondere keine Erinnerung an ein konkretes, Jahre zurückliegendes Aufklärungsgespräch verlangt werden dürfe. Es stand im Zusammenhang mit dem PatRG hier durchaus eine Verschärfung zulasten des (Zahn-)Arztes im Raum, die sich bisher in der Anwendungspraxis aber nicht realisiert hat. Des Weiteren hält das Urteil an der hergebrachten Linie fest, dass nach einmal erfolgter Aufklärung der Patient auch bei längeren Behandlungspausen als informiert gelten kann und nicht erneut aufgeklärt werden muss, sofern sich der Zahnstatus oder die sonstigen Gegebenheiten nicht geändert haben.

 

 

 

RA Michael Lennartz
www.heilberuferecht.eu

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