Kein Behandlungsfehler
Amalgam-Füllungen sind unbedenklich
Ob die Verwendung von Amalgam als Füllungsstoff zulässig ist, darüber hatte das Oberlandesgericht (OLG) Hamm im März zu entscheiden. Auf die Haftungsklage einer Patientin hin entschied das Gericht, dass die Verwendung von Amalgam keinen Behandlungsfehler darstelle.
Der Fall:
Die 1959 geborene Klägerin war bei der beklagten Zahnärztin ab 1987 über mehr als 20 Jahre in zahnärztlicher Behandlung. Die Klägerin hatte bereits seit ihrer Kindheit mehrere Amalgamfüllungen. Die Beklagte brachte im Lauf der Behandlung, zuletzt 2009, mehrere weitere Amalgamfüllungen ein. 2009 brach die Klägerin die Behandlung ab und klagte ab 2014 gegen die Zahnärztin auf Schadensersatz und Schmerzensgeld. Zur Begründung führte sie unter anderem aus, dass die Zahnärztin behandlungsfehlerhaft Amalgam und andere Metalle (vor allem Gold) gemeinsam für Füllungen verwendet, eine Amalgamallergie der Klägerin verkannt und über die mit Amalgamfüllungen verbundenen Risiken nicht hinreichend aufgeklärt habe. Das Landgericht Detmold wies die Klage ab und entschied zugunsten der Zahnärztin.
Die Entscheidung
Im Ergebnis zu Recht, wie das OLG am 04.03.2016 entschied (Az.: 26 U 16/15).
Der Senat führt einleitend aus, dass die Verwendung von Amalgam für Füllungen nach gesicherten zahnmedizinischen Erkenntnissen grundsätzlich unbedenklich und deshalb keinesfalls per se behandlungsfehlerhaft ist. Der von Amalgamgegnern behauptete Zusammenhang zwischen Amalgam und unspezifischen Erkrankungen sei eine nicht bewiesene und nicht dokumentierte These.
Auch die Verwendung von Amalgam in einem Kieferbereich und die Verwendung von Gold in dem entsprechenden Antagonisten ist nicht fehlerhaft. Insoweit bestehe eine allenfalls geringe und nur etwa eine Stunde nach Einsatz der Füllung gegebene Wahrscheinlichkeit einer chemischen Reaktion.
Eine Allergie gegen Amalgam sei zwar grundsätzlich denkbar, vorliegend aber wegen des Zeitablaufs seit dem Einsatz der ersten Amalgamfüllung ohne Beschwerden auszuschließen. Für eine Intoxikation der Klägerin durch das Amalgam oder Reste davon lagen keine laboratorischen Nachweise vor. Dass sich – wie die Klägerin behauptete – ein Zahn wegen der Verwendung von Amalgam „verkleinert“ habe, sei schlichtweg ausgeschlossen.
Eine Haftung wegen unterlassener Aufklärung schloss das Gericht schon deshalb aus, weil wegen der Unbedenklichkeit des Amalgams gar keine entsprechende Aufklärungspflicht bestanden hatte.
Fazit: Auch wenn der Kampf gegen das Amalgam bisweilen mit religiösem Eifer betrieben wird, bleibt dessen Verwendung bis in die jüngere Vergangenheit zahnärztlicher Standard und führt nicht – schon gar nicht per se – zur Haftung wegen Behandlungsfehlern.
RA Michael Lennartz