Medizinische Versorgungszentren (MVZ)

Im März 2019 wurde das Terminservice- und Versorgungsgesetz (TSVG) beschlossen und mit ihm auch eine Regelung, die künftig den ungebremsten Zugang versorgungsfremder Investoren in der zahnärztlichen Versorgung begrenzen soll. Darüber hinaus wurden im TSVG konkrete Verbesserungen für Patienten und Zahnarztpraxen, wie die die Erhöhung der Festzuschüsse für Zahnersatz und Abschaffung der Degression, festgeschrieben. Der Freie Verband Deutscher Zahnärzte (FVDZ) begrüßt insbesondere die Maßnahmen zur Beschränkung der Gründungseigenschaften zahnärztlicher Medizinischer Versorgungszentren (Z-MVZ) als einen Schritt in die richtige Richtung.

Das Mitte 2015 in Kraft getretene GKV-Versorgungsstärkungsgesetz hatte die Gründung arztgruppengleicher Medizinischer Versorgungszentren (MVZ) ermöglicht. Auf der Hauptversammlung 2018 haben sich die Delegierten mit einer "Roten Karte"-Aktion gegen diese Entwicklungen positioniert. Gemeinsam mit der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung und der Bundeszahnärztekammer vertritt der FVDZ gegenüber der Politik die Position, dass für den Zugang von Finanzinvestoren strengere Reglementierungen gelten sollten.

Aktuelle HV-Beschlüsse zum Thema

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FVDZ-Pressemitteilungen zum Thema

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FAQs zum Thema MVZ

Seit wann gibt es zahnärztliche MVZ (ZMVZ)?

Seit dem Inkrafttreten des GKV-Versorgungsstärkungsgesetzes im Juli 2015 ist es möglich, ZMVZ zu gründen. Gemäß § 95 Abs. 1a SGB V kann die Gründung eines Zahnärzte-MVZ in der Rechtsform einer Personengesellschaft, einer eingetragenen Genossenschaft oder aber als Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) erfolgen.

Was sind i-MVZ bzw. Dentalketten?

Finanzinvestoren gründen (zumeist durch den Aufkauf von Krankenhäusern) ein zahnärztliches MVZ. Über dieses MVZ, das bisher nicht in räumlicher Nähe des Krankenhauses gegründet werden und auch keine zahnmedizinische Fachabteilung haben muss, können weitere Praxen aufgekauft oder neue MVZ-Praxen gegründet werden, die sich über ganz Deutschland verteilen und unter dem gleichen Namen firmieren können. Die Kettenbildung hat den Vorteil, dass die angeschlossenen MVZ günstiger als kleine Praxisstrukturen Verbrauchsmaterialien einkaufen können, Praxisabläufe können standardisiert, rationalisiert und vereinheitlicht werden, so dass die Kette auf einem gewissen Level bundesweit die gleiche zahnärztliche Leistung anbieten kann. Das zahnärztliche rationalisierte Handeln wird auf Masse ausgelegt – und somit industrialisiert. Denkbar ist es durch diese Marktmacht in Zukunft, dass Dentalketten mit Krankenkassen Einzelverträge (Selektivverträge) für bestimmte Leistungen aushandeln können.

Wo werden die meisten ZMVZ gegründet?

Anders als vom Gesetzgeber beabsichtigt, werden die meisten ZMVZ nicht in strukturschwächeren Regionen, die von Unterversorgung bedroht sind, gegründet. Vielmehr ist eine deutliche Ballung von ZMVZ in den einkommensstarken und städtischen Regionen zu finden. So hat die Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung in ihrer Statistik zur Zulassung eine eindeutige Korrelation zwischen Einkommen / Stadt und ZMVZ nachgewiesen. ZMVZ lassen sich demnach verstärkt im Rhein-Main-Gebiet, im Rheinland, Stuttgart und München nieder, während beispielsweise in Mecklenburg-Vorpommern oder Sachsen-Anhalt weiße Flächen ohne ZMVZ zu verzeichnen sind.

Haben Zahnärzte nicht nur Angst vor Wettbewerb?

Sicherlich nicht. Zahnärzte sind Unternehmer und stellen sich gerne dem Wettbewerb, allerdings müssen sich dabei alle Akteure an dieselben Spielregeln halten. Allerdings haben die ZMVZ Wettbewerbsvorteile, beispielsweise die Anzahl der angestellten Zahnmediziner oder die Höhe der finanziellen Investitionen.

Warum bedrohen ZMVZ die flächendeckende zahnärztliche Versorgung?

ZMVZ werden in aller Regel dort gegründet, wo sie für die zahnärztliche Versorgung nicht notwendig sind – also hauptsächlich in Städten und größeren Ballungsgebieten. Dies führt insgesamt zu Fehlversorgung und Unterversorgung in ländlichen Regionen. Da von den großen Strukturen eine enorme Sogkraft für junge, angestellte Kollegen ausgeht, die am Anfang ihres beruflichen Lebens gern in der Stadt arbeiten wollen, kommen viel weniger dieser jungen Zahnärztinnen und Zahnärzte in den ländlichen Regionen an. Praxen in strukturschwächeren Gebieten und Kleinstädten haben dementsprechend große Schwierigkeiten zunächst angestellte Zahnärztinnen und Zahnärzte oder aber auch eine Nachfolge für ihre Praxis zu finden. Da rund ein Drittel dieser Praxen in den nächsten zehn Jahren aber auf ein/e Nachfolger/in angewiesen sind, weil die Inhaber das Ruhestandsalter erreichen, werden viele von ihnen einfach schließen müssen. Somit verschwinden diese Praxen in der Fläche. Die Folge: Die flächendeckende zahnärztliche Versorgung wird durch niedergelassene Praxen nicht mehr aufrecht zu erhalten sein.

Brauchen wir nicht Investitionen von Kapitalgebern, um Zahnarztpraxen zu finanzieren?

Nein. Auch jeder Gründer einer Zahnarztpraxis braucht Fremdkapital von der Bank – egal, ob es sich um eine Neugründung oder eine Übernahme einer Praxis handelt. Der Unterschied besteht allerdings darin, ob ein Praxisinhaber einen Kredit einer Bank aufnimmt und dieses Geld nach Finanzierungsplan zurückzahlt, oder ob ein Kapitalinvestor oder eine Private-Equity-Gesellschaft viel Geld in Praxen steckt, um diese dann mit Hilfe von angestellten Zahnärzten zu betreiben und eine möglichst hohe Rendite abzuschöpfen. In diesem Fall unterliegt das (zahn-)ärztliche Handeln dem Renditebestreben des Investors und nicht der bestmöglichen Behandlung der Patienten und der freien Therapieentscheidung des Zahnarztes.

Warum finden Investoren überhaupt so interessant, in ZMVZ zu investieren?

Kapitalinvestoren finden den deutschen Gesundheitsmarkt grundsätzlich interessant – den zahnärztlichen besonders, weil die Umsätze, die in Zahnarztpraxen generiert werden, zu rund der Hälfte aus Versichertengeld der gesetzlichen Krankenversicherung kommen und damit schon eine sichere Basis darstellen. Dazu kommen zusätzliche Leistungen, die Patienten aus eigener Tasche bezahlen – und die in ZMVZ reichlich angeboten und verkauft werden. Einige ZMVZ bieten zudem nicht das komplette Spektrum zahnärztlicher Leistungen an, sondern haben sich auf besonders teure Behandlungen spezialisiert („Rosinenpickerei“). Die Renditeerwartungen der Kapitalinvestoren sind groß und werden international von Vermögenverwaltungen und -beratungen befeuert. Doch selbst wenn die Rendite im unteren einstelligen Bereich bleiben sollte, so ist diese Art der Investition immer noch lukrativer als keine Anlage und Strafzinszahlungen an Banken. So lange die Niedrigzinspolitik für Geldanlage in Europa weiter vertreten wird, werden sich Investoren für renditeträchtigere Projekte interessieren. Es steht allerdings zu erwarten, dass dieses Interesse nicht nachhaltig sein und schnell erlöschen wird, sobald sich in anderen Bereichen höhere Renditen erzielen lassen. 

Verdrängen die ZMVZ die Einzelpraxis?

Da ZMVZ häufig in bevölkerungsstarken und gut versorgten Gegenden entstehen und von Private-Equity-Gesellschaften, Holdings und anderen Spekulanten betrieben werden, die große Mengen Kapital beisteuern, ist es für Einzelpraxen schwierig, in diesem ungleichen Konkurrenzkampf zu bestehen (beispielsweise Anzahl der Mitarbeiter, angebotene Sprechstundenzeiten usw.).

Bieten ZMVZ die gleichen Leistungen wie Zahnarztpraxen?

Theoretisch ja, allerdings ist es in einigen Fällen so, dass ZMVZ „Rosinenpickerei“ betreiben und die vermeintlich attraktiveren und teureren zahnmedizinischen Leistungen anbieten und somit ein eingeschränktes Behandlungsspektrum haben.

Verliert ein Zahnarzt seine Unabhängigkeit, wenn er in einem ZMVZ arbeitet?

Zwar sind Zahnärzte und Zahnärztinnen per Gesetz nicht weisungsgebunden, aber natürlich unterliegen sie in kapitalgetriebenen ZMVZ Zielvorgaben, an die sich halten müssen.

 

Sind ZMVZ notwendig, um Anstellungswünschen von jungen Zahnärztinnen und Zahnärzten nachzukommen?

Ganz klar nein. Jeder Inhaber einer Zahnarztpraxis hat die Möglichkeit (bisher) zwei Zahnärzte oder Zahnärztinnen in Vollzeit anstellen. Diese Möglichkeit soll voraussichtlich sogar erweitert werden. Es ist also für junge Zahnärzte und Zahnärztinnen durchaus möglich angestellt in einer Praxis oder Berufsausübungsgemeinschaft mit mehreren Zahnärzten zu arbeiten. Auch flexible Arbeitszeitmodelle sind möglich. In den vergangenen Jahren haben die Angebote für eine Anstellung der niedergelassenen Praxen für die Nachfrage nach Anstellung ausgereicht – ohne dass dafür ZMVZ notwendig gewesen wären. Die Zufriedenheit der jungen Zahnärztinnen und Zahnärzte in Anstellung bei niedergelassenen Kollegen ist zudem hoch. Haben sie doch dort die Möglichkeit alle Arbeiten im vielfältigen Aufgabenspektrum einer Zahnarztpraxis zu erledigen und von Anfang an hochqualitativ zu arbeiten. Für fachliche Fragen steht jederzeit der Praxisinhaber zur Verfügung, der zur Anleitung der jungen Kollegen und die Beaufsichtigung der Arbeit verpflichtet ist.

Führen ZMVZ zu einer Verschlechterung der Qualität der zahnmedizinischen Versorgung?

ZMVZ entstehen typischerweise regional und Ballungsräumen, das heißt, dass die hochqualitative und wohnortnahe Versorgung einer immer älter werdenden Bevölkerung zukünftig nicht mehr gewährleistet sein wird.

Welche attraktiven Möglichkeiten der Berufsausübung gibt es für Zahnärztinnen und Zahnärzte?

Gegenwärtig ist für Zahnärztinnen und Zahnärzte von der klassischen Einzelpraxis bis zur Anstellung in einem ZMVZ alles möglich. Der FVDZ entwickelt momentan ein Leuchtturmprojekt zur Gründung von Genossenschaften. Diese sollen Synergien nutzen, bürokratische Aufgaben bündeln und sich zum Beispiel zu Einkaufs-, Abrechnungs- und Gerätegemeinschaften zusammenzuschließen.

Welche Gegenvorschläge hat die Zahnärzteschaft, um die Herausforderungen der flächendeckenden Versorgung und die demografischen Probleme anzugehen?

Gegenwärtig ist für Zahnärztinnen und Zahnärzte von der klassischen Einzelpraxis bis zur Anstellung in einem ZMVZ alles möglich. Um die Herausforderungen der Zukunft anzugehen, entwickelt der Freie Verband ein genossenschaftliches Modell, in dem die teilnehmenden Zahnärzte – ähnlich wie in großen MVZ-Strukturen – von Synergieeffekten durch die gemeinsame Nutzung von Geräten, Aufbereitung von Instrumenten, Einkauf, Abrechnung und anderem mehr ein hohes Maß an Erleichterungen für den täglichen Praxisablauf erfahren. Die gewonnene Zeit durch die Bürokratieentlastung können Zahnärzte direkt wieder in die Patientenbehandlung einfließen lassen. Darüber hinaus ist die Berufsausübung über ein genossenschaftliches Betreibermodell – analog zu Berufsausübungsgemeinschaften oder überörtlichen Berufsausübungsgemeinschaften – mit einer Abrechnungsmöglichkeit für die Genossenschaft eine gute Möglichkeit um auf die aktuellen Gegebenheiten und zukünftige demografische Herausforderungen zu reagieren.

• Welchen Effekt haben die räumliche Begrenzung und der geforderte fachliche (zahnmedizinische) Bezug eines Krankenhauses auf die Attraktivität zur MVZ-Gründung durch Finanzinvestoren?

Die räumliche Begrenzung und der zusätzlich geforderte fachliche Bezug eines Krankenhauses bei der MVZ-Gründung ist nicht mehr als die Verengung des Flaschenhalses beim Zugang für Finanzinvestoren. Es ist jedoch kein Korken, der den Zugang unmöglich macht. Eine vollständig abschreckende Wirkung werden diese eingeschränkten Zugangsvoraussetzungen bei Investoren nicht haben – so lange der Markt an sich attraktiv genug ist. Es bedarf nicht viel Fantasie, um sich die Umgehungsstrategien der Kapitalanleger vorzustellen. So lange es eine Gründungsmöglichkeit gibt, so eingeschränkt sie auch sein mag, wird sie genutzt werden, um Zugang zum Dentalmarkt zu bekommen.